Der Wurm (vermis coronae) lebt!
Marcus J. Boehlich berichtet:
Es ist Pfingstsonntag und ich befinde mich erstmals seit 1994 zu Pfingsten nicht auf Helgoland! Dass der Wurm noch lebt hätte man eigentlich merken müssen, jedenfalls rückblickend. Da wir aber alle sicher davon ausgingen, dass der Wurm besiegt und tot war (https://nordseewoche.org/der-wurm-in-der-85-nordseewoche/), haben wir ihn nicht bemerkt. Der Wurm treibt wahrscheinlich schon lange und weltweit sein Unwesen! Anzeichen dafür sind z.B.: Donald Trump, Boris Johnson, die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt und der Bau des Wildschweinzauns zwischen Deutschland und Dänemark um nur einige wenige zu nennen. Bei genauerem Hinsehen wird klar: Der Wahnsinn regiert!
An dieser Stelle möchte ich einfügen, dass ich nicht zu den Verschwörungstheoretikern gehöre, davor beschützt mich mein Aluhut.
Der Wurm hatte sich für die NORDSEEWOCHE also lange unsichtbar gehalten und zeigte sich uns erstmals wieder im Dezember 2019 mit einem Selfie von einem Wildtiermarkt in Wuhan. Er hatte eine Krone auf dem Kopf und grinste aus Schlitzaugen, während er genüsslich eine kross frittierte Fledermaus knusperte. Weit weg, ging uns also nicht an.
2 Tage nach der boot war der Wurm wieder in Deutschland gelandet, aber da ich keine Standheizung von Webasto habe, habe ich wieder nicht bemerkt, dass er mich und die NORDSEEWOCHE meinte.
So machten wir weiter wie gewohnt, die Meldungen trudelten ein, Hotels wurden reserviert, Fährfahrten gebucht und Genehmigungen eingeholt. Der Wurm ging diesmal nämlich besonders perfide vor: Er ließ das Das Robert Koch-Institut (RKI) noch am 22. Januar 2020 erklären, „dass nur wenige Menschen von anderen Menschen angesteckt werden können“ und dass sich das Virus nicht sehr stark auf der Welt ausbreiten werde. Dann kamen die Hamburger Skiferien mit Ischgl und der Karneval in Westdeutschland. Wo könnte sich der Wurm besser tarnen als unter den Kostümen des Karnevals! „Et hätt noch emmer joot jejange“ zwinkerte er den Närrinnen und Narren zu und ermunterte sie zu tun, was so zu Karnevalszeiten getan wird. Tatäää, Tatää, Superspreader!
Erstaunlicherweise wurde im Westen aber karnevalsmäßig voll auf die Bremse getreten, so dass sich unser kleiner Schlingel einen anderen Ort der Betätigung suchen musste. Seine Wahl fiel auf die Hamburger, die sich im Alpenländle die Wintersonne auf die Birne scheinen ließen und Jagertee und Obstler hinter die Bindung kippten. Beim Après-Ski lauerte der Wurm unter der Mütze von Anton aus Tirol und hatte jenseits von 2 Promille leichtes Spiel sein Unwesen zu treiben. Erinnern Sie sich an die Schlussszene in „Tanz der Vampire“? Sharon Tate sitzt ahnungslos neben dem zum Vampir mutierten Roman Polanski im Schlitten und trägt so ungewollt das Böse in die Welt. So auch die Hamburger Skifahrer. Da die Behörden unserer alpenländischen Freunde nach dem Brecht’schen Motto „Erst kommt das Fressen , dann die Moral“ handelten, wurden die Alpen erst zu Risikogebiet erklärt, als auch der letzte Hamburger sein letztes Geld ausgegeben hatte und so trugen die Hamburger das Böse auch in unsere Welt.
Am 25. März schrieb ich dann aus häuslicher Quarantäne, dass ich hoffte, doch noch Capitell-Cup Rund Helgoland und Pantaenius Rund Skagen nicht nur virtuell sondern real segeln lassen zu können. Den virtuellen Teil der NORDSEEWOCHE hatte Albert Schweizer, offenbar unbewusst animiert durch den kaum wahrnehmbaren Duft des Wurms schon frühzeitig angeleiert. Das Vorbereitungsprogramm der NORDSEEWOCHE wurde zum Leidwesen aller rückwärts abgespult. Ich hatte mir für die endgültige Entscheidung bis zum 15. Mai Zeit ausbedungen, was ja angesichts der bis zur NORDSEEWOCHE verbleibenden 2 Wochen sportlich war. Bereits am 10. Mai entschied ich aufgrund der Meldungen „Helgoland soll wieder für Gäste geöffnet werden“ und „Dänemark wird demnächst wieder seine Grenzen öffnen“ die NORDSEEWOCHE im Notmodus, allerdings nur für Double-Hand-Crews zu veranstalten. Der Zuspruch war groß, die Meldungen unter den neuen Bedingungen wurden in Sailorslounge eingegeben und alles war gut. Bis zum 11. Mai, der Wurm trug ein grün-rot-weißes Kleidchen und ließ durch den Bürgerbrief der Gemeinde Helgoland mitteilen: „Die Gemeindehäfen der Insel sind für Gästeboote gesperrt.“ „Na und“ dachte ich, „der Südhafen gehört ja dem Bund und ist daher kein Gemeindehafen.“ Leider hatten sich die Helgoländer der Unterstützung aus dem Hause unseres beliebten Elektrorollerfahrers aus der Augsburger Puppenkiste versichert, so dass der Südhafen auch geschlossen war! Ich rief den Bürgermeister von Helgoland an um ihn nach den Gründen für diese Entscheidung zu fragen. Das Gespräch verlief etwa so: Hallo Jörg, warum schließt ihr den Hafen über Pfingsten? – Hallo Marcus, ja weil unsere Sanitäranlagen so schlecht sind und wir die deshalb schließen müssen. – Dass die Sanitäranlagen auf Helgoland schlecht sind beklagen wir seit mehreren Jahrzehnten, aber die Yachten haben doch alle ein eigenes Badezimmer dabei, die Crews werden sich die nächsten 5 Tage sowieso nicht waschen, da ist es doch egal ob eure Toiletten zu sind oder nicht. Außerdem erwarte ich ja nicht die große Zahl an Yachten, die wir sonst bei der NORDSEEWOCHE haben. – So habe ich das noch gar nicht gesehen, ich werde das nochmal mit in die Versammlung heute nehmen. Ich melde mich morgen. – Danke, Jörg! Soweit in etwa unser Gespräch am Dienstag. Am Mittwochmorgen erhielt ich dann eine iMessage von Jörg Singer, in der er mitteilen musste, dass die Häfen geschlossen blieben und dass er dies bedaure. Er hat das ernst gemeint und so danke hier Jörg für seine Initiative. Jetzt ließ es unser Wurm erstmal gut weiterlaufen, denn die nun getätigten Umplanungen verliefen reibungslos, wie sich herausstellte nur um unsere Energie zu verbrauchen. Der Capitell-Cup Rund Helgoland musste nun leider gestrichen werden, Pantaenius-Rund Skagen konnte auf den Startort Cuxhaven umgebaut werden. Herzlichen Dank an alle Beteiligten bei Pantaenius, in der Segler-Vereinigung Cuxhaven, besonders Jörn Pietschke und die Hafenmeisterin Petra Brück, sowie dem WSA-Cuxhaven. Alles kein Problem!
Doch der Wurm hatte sich nur umgezogen, trug jetzt ein rotes Kleidchen mit einem weißen Kreuz. Wegen möglicher Probleme mit der Durchfahrt durch dänische Gewässer schaute ich ab und an auf die Internetseite der Baltic 500-Regatta, die ja eine Woche vor uns eben dort durchfahren wollten. Da war alles ruhig und es wäre wahrscheinlich alles gut gegangen, hätte ich mein Handy die folgenden Tage offline gehabt. Hatte ich aber nicht, denn die Zeit vor der NORDSEEWOCHE ist die Zeit im Jahr, wo derart viele Gespräche ankommen, dass ich zweimal täglich den Akku laden muss. So bekam ich den Anruf von Jochen-P. Kunze, einem Flensburger Rechtsanwalt, der bereits für Baltic 500 tätig war und nun auch der NORDSEEWOCHE seine Hilfe anbot. Ich habe das Angebot gerne angenommen, nicht wissend, dass der Wurm diesmal in eine ganz alte Kiste, mit der Aufschrift „Wer viel fragt, kriegt viel Antwort“ gegriffen hatte. Nachdem es zuerst hieß, die Durchfahrt durch dänische Gewässer ist kein Problem, aber schriftlich wollen die Dänen das nicht geben, wurde die Luft zum Ende der Woche dünner. Am 18.5. war es dann so weit: Rechtsanwalt Kunze mailte: „Ich habe jetzt eine klare Aussage von der dänischen Seefahrtsbehörde. Danach ist die Einreise nach Dänemark nach aktuell geltender Rechtslage sowohl auf dem Landweg wie auf dem Seeweg unabhängig von der Frage verboten, ob Land-Kontakt erfolgt oder nicht. Die Durchführung der Seeregatta ist nicht genehmigungsfähig.“
Der ein oder andere wird vielleicht verstehen, dass ich an dieser Stelle etwas niedergeschlagen und lustlos war. Ich habe noch kurz mit den involvierten Teammitgliedern gesprochen, keiner sah eine Chance wie man die NORDSEEWOCHE noch hätte retten können.
Nach einer kurzen und im Wesentlichen durchwachten Nacht habe ich dann am 19.5. die Nordseewoche mit großem Bedauern abgesagt. Es tat mir in der Seele weh! Der Wurm hatte sein Ziel erreicht.
Das war ihm aber noch nicht genug, er wollte noch seinen salzigen Kopf in meine Wunden legen. Und so ließ er nur aus Gehässigkeit die Dänen am 20.5. folgende Mitteilung durch RA Kunze machen:
„Habe heute weiter Kontakt mit der dänischen Seefahrtbehörde gehabt, weil Doppel rund sich mit dem Ergebnis noch nicht zufrieden gestellt hat. Habe dann diese rechtliche Karte ausgespielt und noch mal um verbindliche Bestätigung gebeten. Ich habe eben von DMA folgende Rückmeldung bekommen. Wir entschuldigen uns für die missverständliche Formulierung. Die DMA artikuliert keine besonderen Einschränkungen für den Transit durch dänische Gewässer, soweit kein Land Kontakt im Hinblick auf COVID-19 stattfindet.“
Seitdem befinde ich mich in einer Heilanstalt, wo das Essen sehr gut ist und die Pfleger nett sind, wenn man seine Tabletten brav nimmt. Leider sind die Fenster vergittert und die Türen verschlossen. Nach Regen darf ich nicht in den Garten, da ich angeblich seltsam auf Würmer reagiere. Meine Wohnung soll durch die großzügige Abwicklung der Versicherung wieder hergestellt werden.
Unnötig zu sagen, dass die Plaketten in diesem Jahr nicht richtig hergestellt worden sind und Virtual Regatta den Capitell-Cup nicht realisiert hat.
Ich muss aufhören, es gibt Abendbrot.
Vielleicht sehen wir uns ja eines Tages wieder, bis dahin viele Grüße Marcus.
